Blickpunkt-Interview: 40 Jahre Compeso – Ständig auf der Suche nach neuen Lösungen

Der Marktführer bei Software-Lösungen für das Kino feiert runden Geburtstag. Wir sprachen mit Firmengründer und CEO Harald Paulus über die anhaltende Erfolgsgeschichte und die vielen Herausforderungen in der Vergangenheit und Zukunft.

Sie feiern in diesem Jahr ein rundes Jubiläum: Seit 40 Jahren entwickelt Compeso nun Software-Lösungen fürs Kino…

Ganz solange machen wir das noch nicht. Ursprünglich habe ich mit Steuerberater-Software angefangen, die ich noch selbst entwickelt habe.

 

Und warum Software-Lösungen ausgerechnet fürs Kino?

Im Steuerberaterbereich gab es die Datev als großen Konkurrenten und Marktführer. Ich habe dann eine Branche gesucht, in der man auch als damals noch kleine, aber aufstrebende Firma mit innovativen Ideen Marktführer werden kann. So sind wir aufs Kino gekommen. Dazu kam noch, dass Kino unglaublich interessant ist, und wir sahen, dass man hier ständig neue Lösungen entwickeln kann. Unser erster Auftrag im Kinobereich kam von den Reiss Filmtheaterbetrieben. Das war die erste Kinokette, die sich bundesweit vernetzen wollte. Die Software kam damals noch von Bildstein, die Vernetzung haben wir gemacht. Aus einer Zentrale heraus konnten so alle Daten gesammelt und die Kinos gesteuert werden. Das lief auf Novell Netware als Basis und war damals sehr innovativ. Das waren die Anfänge, Internet gab es zu dieser Zeit noch gar nicht.

 

Haben Sie von Beginn an Ticketing- Lösungen angeboten?

Der erste Auftrag war, wie gesagt, eine Vernetzung. Dabei haben wir das Ticketsystem von Bildstein kennengelernt und uns gesagt, dass wir das besser machen können. Dazu kam, dass uns die Branche gefallen hat, und natürlich stand ich schon immer vor der Frage, wie man die besten Mitarbeiter akquiriert, denn der Wettbewerb um gute Kräfte im EDV-Bereich war seit jeher groß. Wenn man für eine interessante Branche arbeiten darf, lockt das auch Mitarbeiter an. Kino ist sehr attraktiv und in jedem Fall spannender, als für Steuerberater zu arbeiten. Wir hatten auch schon mit anderen Branchen geliebäugelt, Ärzten oder Malern. Es gab da ein paar Ausflüge. Das Kino hat sich dann als ideale Branche für uns erwiesen, weil die Herausforderungen vielseitig sind und man innovative Angebote entwickeln konnte. Wir haben es dann recht schnell geschafft, Marktführer zu werden.

 

Welche Innovation oder Errungenschaft ragt für Sie in all den Jahren heraus?

Oh, da gibt es einige. Aktuell ist es wohl der massive Trend zum Online-Ticketing. Das ist der größte Schritt in all den Jahren. So wie es aussieht, kommen wir allmählich weg von den Kassen. Das ist schon eine gewaltige Veränderung. Die Kassen haben uns viel länger begleitet, als man gedacht hat. In vielen Branchen ist es schon lange üblich, anders zu arbeiten. Dieser Schritt vollzieht sich jetzt im Kino.

 

Auf der Filmwoche in München haben Sie dazu aufgerufen, die Kinozukunft gemeinsam zu formen. Die Zeiten, in denen Kinos sich als Konkurrenz begreifen, seien vorbei. Warum?

Auch die Kinobetreiber merken, dass sie letztlich besser fahren, wenn sie zusammenarbeiten und sich austauschen. Dass hier eine größere Aufgeschlossenheit entsteht, ist eine Beobachtung, die wir machen. Das liegt vielleicht auch daran, dass weniger neue Kinos gebaut werden, und dadurch weniger neue Konkurrenzsituationen entstehen. In Zeiten, in denen viele neue Kinos gebaut wurden, war das anders. Da gab es noch einen größeren Wettbewerb um die Standorte. Auch für uns hat sich so der Markt deutlich geändert. Wir sind damals in einen stark expandierenden Markt eingestiegen, als noch viele neue Kinos gebaut wurden. Jetzt geht es mehr um intelligente Lösungen, um einzelne Bereiche zu verknüpfen.

 

In München haben Sie zwei Neuentwicklungen im Bereich Marketing und Dispo angekündigt. Gibt es dazu schon Neues zu erzählen?

Hier sind die ersten Schritte bereits getan. Wir beschäftigen uns zusammen mit einigen Branchenteilnehmern intensiv damit, wie Kinos es am besten schaffen, mehr Besucher in ihre Häuser zu bekommen. Unsere beiden Workshops waren ein großer Erfolg und haben einige sehr aufschlussreiche Erkenntnisse gebracht. Es hat sich beispielsweise herausgestellt, dass die zwei Themen, Marketing und Dispo, enger zusammenhängen als gedacht. Wir arbeiten jetzt an Entwicklungen, die einiges bewegen werden. Da lohnt es sich für jeden Kinobetreiber, von Anfang an dabei zu sein.

 

Geht der Siegeszug von digitalem Ticketing ungebrochen weiter? Oder sind jetzt alle versorgt?

Der Siegeszug der Digitalisierung geht vor allem im Concession-Bereich weiter, auf den wir nun das Online-Angebot massiv ausdehnen. Heute haben wir in den Kinos noch das Problem, dass es lange Schlangen an den Concession-Theken gibt, die dazu führen, dass die Umsätze dort deutlich geringer sind, als sie sein könnten. Von dem großen Personalbedarf mal ganz abgesehen. Bei den ersten Kinokunden, für die wir Ticketing und Concession verknüpft haben, ergaben sich dramatische Steigerungen von bis zu 75 Prozent mehr Umsatz pro Kopf. Wenn die Besucher online kaufen und die Ware nur noch abholen müssen, geht das deutlich schneller und führt zu wesentlich mehr Umsatz. Wir sehen einen starken Trend dahin, den Concession-Umsatz online oder am Automaten abzuwickeln, und nicht mehr mit der traditionellen Kassen-Lösung. Mit den bestehenden Margen im Concession-Bereich und dem Einsparpotenzial bei den Personalkosten bedeutet das für die Kinos einen echten Zugewinn.

 

Wie aufgeschlossen sind denn die Kino- betreiber gegenüber diesen Neuerungen?

Sie sind sehr aufgeschlossen, und trotz- dem ist es noch ein Weg. Gerade wenn es um den Concession-Bereich geht, be- deutet das in manchen Fällen auch ein paar Umbaumaßnahmen in den Kinos. Die Kasse kommt weg und die Abhol-Theke kommt hin – so einfach ist das nicht immer. Das Aufstellen neuer Automaten ist auch Teil des Konzepts. Dafür braucht man geeignete Plätze im Kino, an denen Anschlüsse für Strom und Netzwerk vorhanden sind. Im Prinzip braucht es hier ein nachhaltiges Gesamtkonzept, das zum jeweiligen Standort passt. Deswegen hat das mit der Aufgeschlossenheit zwei Seiten. Das Interesse ist da, aber es braucht einen guten Partner wie zum Beispiel Compeso, dann klappt das auch (lacht).

 

Liefern Sie komplette Lösungen, oder vermitteln Sie an Automatenbauer weiter?

Wir liefern komplette Lösungen aus einer Hand, deshalb verkaufen wir auch die Automaten selbst, d. h., wir arbeiten mit Automatenbauern zusammen. Wir bauen die Automaten nicht selbst. Aber auch hier sind wir ständig auf
der Suche nach neuen Lösungen, nach neuen Automaten. Auch hier gibt es immer etwas Neues, das noch besser oder günstiger ist.

 

In 40 Jahren vom Steuerprogramm über Filmabrechnung, Dispo, Online- Ticketing, Webshops, Apps bis zu kompletten Warenwirtschaftssystemen – was ist für Sie der wichtigste Bereich? Was wird am stärksten nachgefragt?

Letztlich ist es die Komplettlösung, die für den Kinobetreiber Sinn macht, mit allem, was Sie gerade geschildert haben. Das ist ein wirklich sehr umfangreiches System. Als wir ins Kinogeschäft eingestiegen sind, kam uns die Erfahrung im Steuerberaterbereich sehr zugute. Auch hatten wir schon Warenwirtschaftssysteme für die Mandanten von Steuerberatern gebaut und damit schon relativ viel Erfahrung. Das Front End vorne ist nur eine Kasse, aber dahinter hängt ein ganzes Warenwirtschafts- und Ab- rechnungssystem, noch dazu ein sehr spezielles, denn Kinofilmabrechnungen sind nun wirklich nicht 08/15.

 

Gleichzeitig hört sich das nach sehr individuellen Lösungen an. Sind das Software-Lösungen für alle, oder planen Sie für jedes Kino einzeln?

An sich handelt es sich schon um eine Standard-Software für alle Kinos, aber es gibt natürlich immer individuelle Anforderungen und Anpassungen. Der Grundbedarf ist immer der Gleiche. Die Unterschiede liegen beispielsweise in verschiedenen Bonussystemen. In ihren Kundenbindungssystemen unterscheiden sich die Kinos ganz gerne. Da haben sie ihre eigenen Vorstellungen und möchten selbst kreativ sein. Dabei gibt es auch durchaus Wettbewerb, etwa bei Promotions, die die Konkurrenz nicht hat.

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SERVICE wird bei der auf Kinos spezialisierten Software-Schmiede groß geschrieben. Hier präsentiert sich Harald Paulus (M.) mit seinem Team

Wie eng arbeiten Sie mit den Verleihern zusammen?

Bisher tatsächlich wenig. Da gibt es bedauerlicherweise kaum Kontakte. Aber wir arbeiten daran.

 

Das wundert mich jetzt ein bisschen …

Wir stehen auf der Seite der Kinos, das muss man ganz klar sagen. Es besteht schon auch ein spezielles Verhältnis zwischen Kino und Verleih. Wir verstehen uns jedoch eindeutig als Dienstleister fürs Kino. Wobei sich dieses Verhältnis immer stärker annähert, mit dem wachsenden Verständnis, dass alle in einem Boot sitzen. Tatsächlich waren wir federführend mit den Verleihern am Verhandeln, als die neue eTicketing-Richtlinie herauskam, und wie sie am geschicktesten umgesetzt werden kann. Wir waren auch die Ersten, die mit einer Lösung auf dem deutschen Markt waren. In solchen Fällen gibt es schon eine intensive Zusammenarbeit, bei der wir natürlich versucht haben, die Interessen der Kinos einzubringen, damit das Ganze auch handhabbar wird. Der Verleih hatte ein höheres Kontrollbedürfnis, gleichzeitig wollten die Kinos, dass das in der Praxis auch wirklich umsetzbar ist. Da waren wir tatsächlich in einer Art Vermittlerrolle, um das alles mit den Kinos und den Verleihern zu konzipieren. Das war übrigens auch ein wichtiger, vielleicht sogar der größte Meilenstein, wenn man in die Historie geht. Die eTicketing-Richtlinie hat Online- Ticketing erst richtig möglich gemacht.

 

Wie hat sich Ihr Markt vom Volumen her entwickelt? Bestimmt hat es durch Corona Einbußen gegeben?
Als wir angefangen haben, war es ein expandierender Markt. Es war die Zeit des Multiplexbooms. Es musste sehr viel Software neu installiert werden, und neue Kunden konnte man vergleichsweise einfach gewinnen. Der Neubau von Kinos hat dann irgendwann so gut wie ganz aufgehört. Dadurch hat sich die Situation dramatisch geändert, und in den letzten Jahren ist es ein Verdrängungswettbewerb geworden. Das muss man ganz klar sagen. Letztes Jahr hat Kinopolis ein neues Kino in Bad Homburg gebaut, dieses Jahr kommt eines in Hamburg dazu, auch von Kinopolis. Sonst werden so gut wie keine neuen Kinos mehr gebaut, d.h., man versucht, dem Wettbewerb Kunden abzunehmen.

 

Sie bezeichnen sich als Marktführer. Kann man das in Prozent beziffern?

Bei allen Kinos dürfte unser Anteil bei etwas über 50 Prozent liegen. Der Rest verteilt sich auf den Rest. Und bei Multiplexkinos liegen wir bei 60 bis 65 Prozent.

 

Ist dieser Verdrängungswettbewerb längst ein Wettbewerb um Innovation geworden?

Ganz klar, das ist der Punkt. Mit den Innovationen versucht man dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein und damit wieder Kunden zu gewinnen.

 

Der Kinobereich ist inzwischen ein konsolidierter Markt. Expandierender Markt im audiovisuellen Bereich ist jetzt Streaming, und trotzdem erlebt das Kino gerade eine Renaissance. Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos?

Ich sehe die nahe und weitere Zukunft des Kinos sehr positiv. Corona war ein Einschnitt, aber danach haben sich die Menschen gefreut, wieder ins Kino gehen zu können. Kino ist eben mehr als nur Filmanschauen, es ist ein Freizeiterlebnis. Das ging auch mir selbst so. Die Zahlen des letzten Jahres waren wieder fast so wie 2019. Es hängt natürlich stark davon ab, welche Filme kommen. Das hat man letztes Jahr ganz deutlich gesehen: Barbie und Oppenheimer haben einen Nerv getroffen. Das wusste vorher keiner, vielleicht hat es der eine oder andere geahnt. Das Hauptprodukt des Kinos ist letztlich das Filmangebot, und wenn das passt, ist mit dem richtigen Service alles möglich.

 

Aber kommt es nicht ganz stark auch auf den Service vor Ort an, ein Bereich, den Sie mit Ihren Lösungen beeinflussen?

Ich sehe eher, dass man mit dem Service vor Ort den Umsatz pro Kopf erhöhen kann. Ob man mit ihm mehr Leute ins Kino lockt, sei dahingestellt. Schließlich müssen sie auch irgendwie erfahren, dass sie ins Kino gehen sollen. Insbesondere die Präsenz in den sozialen Medien macht sich da durchaus auffällig bemerkbar. Es steht und fällt damit, wie man die potenziellen Besuchergruppen anspricht. Das ist genau einer der Punkte, an denen wir in unseren Workshops gearbeitet haben. Besucher werden von mehreren Seiten generiert, nicht nur vom einzelnen Kino. Das Kino muss sich bei seinen potenziellen Besuchern positionieren, aber ein Film muss auch von Verleihseite entsprechend promotet werden, sonst werden die Menschen nicht erreicht. Es müssen alle zusammenspielen, dann funktioniert es auch.

 

Worauf sind Sie auch mit Blick auf die kommenden Jahre besonders stolz?

Auch wir haben Höhen und Tiefen erlebt, nicht zuletzt während der Corona- Zeit. Ich bin schon sehr stolz darauf, dass es mir gelungen ist, Compeso vierzig Jahre aus eigener Kraft erfolgreich zu führen. Das gelingt nicht jedem, das war mir immer wichtig, und ich habe es geschafft. Ich habe immer großen Wert auf eine solide Basis gelegt und tue das auch heute noch. Unsere Kunden investieren viel in unsere Produkte, deswegen erwarten sie zu Recht, dass wir als Unternehmen stabil dastehen, und dass es Compeso auch in den kommenden 40 Jahren – und natürlich darüber hinaus – noch gibt, damit ihre Investitionen geschützt bleiben.

 

Und was macht Harald Paulus, wenn er nicht an neuen Software-Lösungen tüftelt?

Am liebsten bin ich tatsächlich in unserem Betrieb. In meiner wenigen Freizeit finden Sie mich dann öfters in den Bergen. Und ich habe noch ein weiteres Hobby, nämlich Tauchen und Unterwasser-Fotografie. Das ist mein Steckenpferd. Natürlich gehe ich auch oft ins Kino. Schon morgen wieder ins Münchner Gloria, das mein absolutes Lieblingskino ist, weil ich den Service am Platz so schätze. Das ist auch ein Trend, der in den Kinos hoffentlich weiter ausgebaut wird. Auch dafür haben wir frühzeitig Lösungen gebaut, auf mein persönliches Betreiben hin. Ich wollte unbedingt, dass man im Gloria vom Platz aus per Handy etwas bestellen kann. Ich finde das unglaublich smart, und es ist ein Service, der Kino nochmal zu einem ganz anderen Erlebnis macht. Wenn jeder vom Platz bestellen kann, hebt das im Übrigen auch den Umsatz, und man spart das Personal für die Bestellaufnahme.

 

Wenn das andere Kinobetreiber lesen, werden sie erwarten, dass Sie auch bei ihnen vorbei schauen und sich mit ihrem Prozessmanagement beschäftigen …

Das mache ich gerne.

Text: Ulrich Höcherl

Jubilaeum Kinopolis

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